Nachhaltiger Weinbau

      veröffentlicht am 16. September 2022

      Die sieben wichtigsten Fragen

      Im Kampf gegen den Klimawandel und seine verheerenden Auswirkungen rückt auch in der Weinwirtschaft das Thema Nachhaltigkeit zunehmend in den Fokus. Wir beantworten die sieben wichtigsten Fragen rund um nachhaltigen Weinbau und erklären, welche kleinen Schritte und smarten Produkte dabei helfen, verantwortungsvoller zu wirtschaften und wie diese Bemühungen auch von den Verbraucher:innen honoriert werden.

      1| Was bedeutet nachhaltiger Weinbau?

      Nachhaltiger Weinbau gewinnt auch in Deutschland immer mehr an Bedeutung. Dabei gilt es, die Aspekte Ökologie, Ökonomie und Soziales in der Weinwirtschaft gleichermaßen zu berücksichtigen. Denn Wirtschaft, Umwelt und Mensch können nicht isoliert betrachtet werden.
      Ganzheitliche Nachhaltigkeitskonzepte im Weinbau nehmen daher die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick – also von der Rebe bis ins Glas.

      2| Was ist der Unterschied zwischen nachhaltigem und ökologischem Weinbau?

      Häufig wird der Begriff der Nachhaltigkeit als Synonym zum Umweltschutz verwendet. Insbesondere in der Landwirtschaft wird Nachhaltigkeit gern auf umsichtigen Pflanzenschutz reduziert. Dabei greift Nachhaltigkeit noch viel tiefer. Bei einer ökologischen Anbauweise geht es primär um umweltrelevante Aspekte. Eine nachhaltige Weinwirtschaft dagegen berücksichtigt neben ökologischen Fragen zusätzlich auch noch soziale und ökonomische. Zusammenfassend lässt sich sagen: Nachhaltiger Weinbau beschreibt ein Wirtschaftssystem, das ökonomische, ökologische und soziale Aspekte gleichrangig berücksichtigt.

      3| Welche Bereiche umfasst nachhaltiger Weinbau?

      Ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept umfasst sämtliche Bereiche der Weinwirtschaft, also vom Anbau bis zum Vertrieb. Bei der Bodenbewirtschaftung stehen die nachhaltige Bodenpflege und ein ressourcenschonendes Wassermanagement im Vordergrund. Die Reben betreffend sind der Pflanzenschutz und die Förderung der Biodiversität und des Artenschutzes auf allen Rebflächen wichtige Anliegen. Ganz entscheidend sind auch die Ökobilanz des Weines und der CO2-Ausstoß während der gesamten Wertschöpfungskette. Diese umfasst nicht nur den Weinbau, sondern auch die Herstellung von Flaschen und Verschlüssen, die gesamte Logistik, den Vertrieb und den Verkauf. Aktuell liegt die Treibhausgas-Bilanz einer Flasche Wein im globalen Schnitt bei knapp über einem Kilogramm CO2. Diesen CO2-Fußabdruck stetig zu verkleinern, ist daher ein Hauptanliegen der nachhaltigen Weinwirtschaft. Zusätzlich hat sie ein Augenmerk auf sozialen Aspekten, wie etwa faire Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden in den Betrieben oder soziales Engagement.

      4| Warum ist nachhaltiger Weinbau notwendig?

      Dass nur durch nachhaltiges Wirtschaften unser Überleben gesichert werden kann, ist inzwischen im Bewusstsein von weiten Teilen der Gesellschaft angekommen. Denn Fakt ist: Die exzessive Ressourcennutzung und -verschwendung und die Emissionen der zurückliegenden Jahrzehnte können so nicht weitergehen. Bereits jetzt hat der voranschreitende Klimawandel verheerende Auswirkungen auf die Landwirtschaft und auch auf den Weinbau. Das zeigen etwa die Jahre 2018 und 2019 mit extremer Hitze und wenig Niederschlag, aber auch lokale Extremwetterereignisse wie die Hochwasserkatastrophe an der Ahr im Jahr 2021.
      Was häufig aber noch vernachlässigt wird: Auch für den wirtschaftlichen Erfolg eines Produktes bzw. Unternehmens ist das Thema Nachhaltigkeit von immer größerer Bedeutung. Nachhaltigkeit als ein Qualitätskriterium beeinflusst zunehmend die Kaufentscheidung – auch beim Wein. Immer mehr Konsument:innen achten schon heute auf ökologische und faire Produktionsbedingungen und kaufen zunehmend entsprechend produzierte Lebensmittel, darunter auch nachhaltig hergestellten Wein.

      5| Wie arbeiten nachhaltig ausgerichtete Betriebe?

      Beim nachhaltigen Weinbau geht es darum, sämtliche Aktivitäten eines Betriebes – vom Außenbetrieb über die Kellerwirtschaft bis hin zur Vermarktung – nach einem ganzheitlichen Nachhaltigkeitskonzept auszurichten und zu optimieren. Dabei wird jeder Arbeitsschritt vom Rebschnitt bis zum Versand regelmäßig hinterfragt und verbessert. Bei der Bewirtschaftung des Weinbergs bedeutet das beispielsweise, Pflanzenschutz- und Düngemittel nur nach Bedarf und unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien einzusetzen. Die CO2-Bilanz des Weines lässt sehr effizient durch die Verwendung leichterer, dünnwandiger Flaschen verbessern, da diese in der Herstellung und auch beim Transport weniger Ressourcen verbrauchen. Was den Vertrieb angeht, kann es nachhaltiger sein, entsprechend spezialisierte Speditionen zu beauftragen, anstatt die Weine mit dem eigenen Transporter auszufahren. Grundsätzlich geht es darum, in allen Bereichen möglichst ressourcenschonend zu wirtschaften, wie etwa durch die Umstellung auf Ökostrom, die Installation von Solaranlagen oder Müllvermeidung. Nachhaltigkeit wirkt sich damit auch auf das ökonomische Handeln des Weinbaubetriebs aus, denn schließlich muss dieser durch alle Maßnahmen langfristig wirtschaftlich bestehen können. In der fairen Bezahlung der Mitarbeitenden, in Weiterbildungsangeboten und Aktivitäten zur Bewahrung der Kulturlandschaft drücken sich die sozialen Aspekte einer nachhaltigen Weinwirtschaft aus.

      6| Welche Zertifizierungsorganisationen für Nachhaltigkeit und weitere Initiativen gibt es?

      Es gibt mittlerweile einige Initiativen und Siegel für nachhaltigen Weinbau und die Entwicklung schreitet immer mehr voran. Einige stellen wir hier exemplarisch vor:

      Zu den international wichtigsten Siegeln für nachhaltigen Weinbau zählt das von FAIR’N GREEN e.V. Der 2013 gegründete Verein wird vom Bundesumweltministerium unterstützt und zählt rund 80 Mitgliedsbetriebe aus Deutschland, Italien, Portugal, Österreich, Frankreich, der Schweiz und Israel. FAIR’N GREEN hilft Winzer:innen dabei, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und objektiv messbar zu machen und vergibt dafür ein entsprechendes Siegel.

      Eines der ersten Nachhaltigkeitssiegel der Weinbranche wurde vom Deutschen Institut für Nachhaltige Entwicklung e.V. (DINE e.V.) 2009 in Zusammenarbeit mit der Hochschule Heilbronn entwickelt: FairChoice® ist ein wissenschaftlich fundiertes Siegel für geprüft nachhaltige Weinproduktion und umfasst 44 Kriterien aus den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales.
      Das Management-System EcoStep-Wein, das gemeinsam mit der Hochschule Geisenheim im Jahr 2005 entwickelt wurde, zielt darauf, speziell die Strukturen kleiner und mittlerer Weinbaubetriebe zu optimieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Rund 50 Weinbaubetriebe sind bis heute durch EcoStep-Wein zertifiziert. Seit Januar 2021 ist EcoStep-Wein als Zertifikatsanbieter für den Förderrahmen Nachhaltigkeit im Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz anerkannt.

      Seit 2012 schreibt die rheinhessische Weinwirtschaft jährlich den Preis für Nachhaltigkeit aus. Ausgezeichnet werden Zulieferer und Firmen für Produkte, Systeme und Dienstleistungen, die die Winzer in ihrem nachhaltigen Wirtschaften unterstützen.

      Einen kostenfreien Einstieg in die Thematik bietet die Datenbank des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK). Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Pfalz hat dazu den praxisorientierten "Branchenleitfaden für Weinbaubetriebe zum DNK" herausgegeben. Anhand von 23 weinbauspezifischen Zusatzindikatoren können Betriebe ihre Nachhaltigkeitsstrategie damit im Unternehmen selbstverantwortlich überprüfen und in einer Online-Datenbank dokumentieren.

      7| Welche Produkte tragen zu mehr Nachhaltigkeit im Weinbau bei?

      Beim Thema Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und insbesondere im Weinbau denken viele in erster Linie an die Solarmodule auf dem Dach oder die Biogasanlage. Dabei darf man die vielen kleinen Schritte hin zu mehr Nachhaltigkeit nicht unterschätzen, die in den unterschiedlichsten Bereichen unternommen werden können. „Dazu gehören Rebschützer aus Pappkarton, Heftklammern aus Holz oder Bindeband aus Bio-Kunststoff. Diese Alternativen sind alle zu 100 Prozent kompostierbar und somit deutlich nachhaltiger als vergleichbare Plastik-Produkte“, erklärt Marco Kast, Produktmanager bei der Klug GmbH, dem Fachgroßhandel für Kellereibedarf. „Und sie sparen zudem Arbeit, da sie nach Gebrauch nicht mühsam eingesammelt und entfernt werden müssen.“ Auch die Weinbergsdrähte, die für die Anlage eines Weinbergs benötigt werden, gibt es mittlerweile in einer Variante aus CO2-reduziertem Stahl. Auch in Sachen Pflanzenschutz hat sich einiges getan: Neben biologischen Pflanzenschutzmitteln gibt es auch Produkte, die auf stickstofffixierende Bakterien setzen. „Dadurch lässt sich Düngemittel deutlich oder sogar komplett einsparen! Das ist die nachhaltigste Alternative, die – insbesondere durch den wegfallenden Transport – noch eine bessere Ökobilanz als Bio-Dünger aufweist“, betont sein Kollege Jan Unkel. Mit speziellen Tropfschläuchen können die Reben deutlich effizienter und ressourcenschonender bewässert werden, als durch herkömmliche Beregnungsanlagen. Und auch in der Kellerwirtschaft liegt viel CO2-Einsparpotential – etwa durch besonders dünnwandige Leichtglas-Flaschen, für die sowohl in der Produktion als auch im Transport deutlich weniger Energie eingesetzt werden muss.

      Nachhaltiger Weinbau ist also keineswegs ein flüchtiger Lifestyle-Trend. Es handelt sich vielmehr um eine allumfassende Arbeits-, Denk- und Wirtschaftsweise, die weltweit immer mehr in den Fokus rückt und der sich immer mehr Betriebe verpflichtet fühlen. Denn die gemeinsame Anstrengung für eine gesunde Umwelt, soziale Gerechtigkeit und einen sparsamen Umgang mit Ressourcen ist die unabdingbare Voraussetzung für mehr Klimaschutz.